Bild von Eine Reise durch die Druckgeschichte

12. October 2025

Eine Reise durch die Druckgeschichte

Am Samstag, 11. Oktober 2025, fand in der Enter Technikwelt die Veranstaltung «Reise durch die Druckgeschichte» statt. In einer Kombination aus Führung und Demonstration wurden den über 80 Besucherinnen und Besuchern die Meilensteine der Druckgeschichte präsentiert.

Weckruf aus dem 50-jährigen Dornröschenschlaf

Einer der zentralen Wendepunkte im Bereich des Druckens markiert die Linotype-Setzmaschine. Die um das Jahr 1886 vom deutsch-amerikanischen Uhrmacher Ottmar Mergenthaler (1854-1899) konstruierte Maschine automatisierte und beschleunigte den Setzvorgang massgebend. Mit einer Linotype konnten Buchstaben-Matrizen, die auf einer Klaviatur eingegeben wurden, automatisch zu ganzen Zeilen gesetzt werden und anschliessend als Bleizeilen gegossen werden. Der Vorgang endete mit der fehlerfreien Rückführung der Matrizen in das Magazin, um das Weitersehen zu ermöglichen. Damit löste die Linotype den umständlichen Handsatz ab, der seit Gutenbergs Innovationen im 15. Jahrhundert, weitgehend unverändert zur Anwendung gekommen war.
In der Sammlung der Enter Technikwelt befindet sich eine solche Linotype-Setzmaschine. Sie stand bis in die 1970er Jahre in der Druckerei St. Paul in Fribourg in Betrieb. Nach ihrer Stilllegung geriet sie während 50 Jahren in Vergessenheit, bis sie von der Enter Technikgruppe wiederentdeckt und restauriert wurde.

Die Sektion «Gutenberg» der Technikgruppe, bestehend aus Guy Flüeli, Rosa Schmid, Uschi Grüson und Alois Balmer, nahm sich der Instandsetzung dieser Linotype im Frühjahr 2025 an und arbeitete während rund zehn Monate an deren Restaurierung sowie der generellen Aktualisierung der Dauerausstellung. Um ihr grosses Engagement zu würdigen, sprachen zu Beginn der Veranstaltung Stiftungsratspräsident Felix Kunz und Ausstellungsleiter Felix Wirth den vier ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern ein herzliches Dankeschön aus. Guy Flüeli erhielt für seinen aussergewöhnlichen Einsatz bei der Inbetriebnahme der Linotype und den Umbauarbeiten innerhalb der Ausstellung eigens eine 3D-gedruckte Pfeffermühle in Raketenform.

 

Die Musik einer Setzmaschine

Im Anschluss an die Danksagung richtete sich Peter Schiltknecht, Leiter der Satzwerkstatt Solothurn, mit einem Grusswort an die Anwesenden. In seiner kurzen Rede unterstrich er zunächst die Bedeutung der Drucktechnik im Allgemeinen und ging anschliessend auf einen besonderen Aspekt der Linotype ein. Seit er 18-jährig sei und das erste Mal mit einer Linotype gearbeitet hatte, liege ihm die Musik dieser Maschine im Ohr, so Peter Schiltknecht. In lautmalerischer Manier liess er anschliessend das Publikum an den Klängen der Linotype teilhaben. So schilderte er das Geräusch der Ketten, das Tippen der Tastatur, das Klapf-Geräusch beim Giessen oder die herunterrieselnden Klänge der Matrizen.

 

Flüssiges Blei in Aktion

Nach dem klangvollen Grusswort gingen die Besucherinnen und Besucher gespannt in den 2. Stock, um die Druckgeschichte-Ausstellung und die Linotype live in Aktion zu sehen. Aufgrund des grossen Besucherandrangs wurden drei Gruppen gebildet, die während je 20 Minuten einer Demonstration sowie zwei Führungen beiwohnten. Guy Flüeli, von Beruf Druckingenieur esig+ und nebenbei auch Volontär beim Typorama in Bischofszell, liess die Herzen der Anwesenden höherschlagen als er die Maschine in Bewegung setzte und das Blei zu schmelzen begann. Während seinen Erklärungen drückte er immer wieder auf Tasten oder zog an Hebeln, bis schliesslich die Matrizen aus Messing herunterfielen und die Bleizeile ausgeworfen wurde. Und tatsächlich klangen die Arbeitsvorgänge der Linotype wie ein rhythmisches Maschinenorchester! Das Publikum hörte gebannt zu – oder begann spontan selber von eigenen Erinnerungen an die Maschine zu erzählen, denn es waren erstaunlich viele Zeitzeugen anwesend, die seinerzeit selber mit flüssigem Blei gesetzt haben. Die Linotype wird in Zukunft in der Enter Technikwelt regelmässig vorgeführt; die Termine sind im Jahresprogramm unter enter.ch/events angegeben.

 

Von den ersten Höhlenmalereien zum modernen Zeitungsdruck

Während eine Gruppe den Klängen der Linotype lauschte, nahmen die beiden anderen Gruppen an Kurzführungen durch die Druckgeschichte-Ausstellung teil. Rosa Schmid, gelernte Schriftsetzerin und Monotasterin, und Uschi Grüson, Mathematikerin und ehemalige Projektleiterin bei der Ciba Photochemie, führten den Besuchern die Bedeutung des Buchdrucks für die Menschheitsgeschichte vor Augen. Ausgehend von den ersten Höhlenmalereien spannten die beiden einen roten Faden, der bis zur Druckrevolution im 15. Jahrhundert führte. Diese Revolution wurde unter anderem durch Gutenbergs Handgiessgerät ausgelöst, mit dem erstmals einzelne Lettern aus einer Legierung aus Blei, Zinn und Antimon fabriziert werden konnten. Zusammen mit einer modifizierten, bis dahin für den Weinbau verwendeten Spindelpresse konnte Gutenberg den Druckvorgang enorm beschleunigen.

Um den starken Kontrast zu den bisherigen Druckverfahren zu illustrieren, steht in der Ausstellung neu eine klösterliche Schreibstube, in der ein Mönch beim langwierigen Abschreiben einer Bibel dargestellt wird. Im Hintergrund leuchtet ein schwaches Licht aus einem Kirchenfenster, das freundlicherweise vom Solothurner Künstler Roman Candio gespendet worden ist. Als ehemaliger Direktor der Hallwag AG und Präsident der Stiftung esig+ führte Alois Balmer das Publikum anschliessend in das Gebiet des Zeitungsdrucks ein. Er ging dabei auf die verschiedenen Druckverfahren ein, beginnend bei den ältesten Flachdruckverfahren wie der Lithographie (Steindruck), und erklärte im Anschluss die Funktionsweisen des Hoch-, Tief-, Offset- oder Siebdrucks. Ferner erklärte er die verschiedenen Setzmaschinen, beispielsweise die Monotype, eine Maschine, die erstmals einzelne Buchstaben giessen konnte und damit eine wichtige Neuerung nach den Zeilensetz-Maschinen wie der Linotype darstellte. Gerade für hochwertige Drucke sei die Monotype verwendet worden, so Alois Balmer. Und die Ludlow-Giessmaschine war wegen ihrer grossen Matrizen bei Zeitungen für das Setzen von Titel und Überschriften beliebt. Schliesslich zeigte er am Beispiel verschiedener originalgetreuer Modelle die Funktionsweise von Rotationsmaschinen, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts hunderttausende Zeitungen im Schnellverfahren produzieren konnten. Weiterentwickelt sind diese Maschinen für Grossauflagen nicht mehr wegzudenken.

 

Das neue Blei des 21. Jahrhunderts?

Nach Abschluss der Führungen und Linotype-Demonstrationen entstanden unter den Besuchern spannende Gespräche über die Drucktechnik und deren geschichtlichen Entwicklungen. Viele der Anwesenden waren selber in der Druckindustrie tätig und blickten zum Teil mit nostalgischen Gefühlen auf die alten Maschinen zurück. Zum Teil mischte sich aber auch Wehmut dazu, denn viele hatten den Niedergang der einst wichtigen Schweizer Druckindustrie am eigenen Leib erfahren müssen. Manche Diskussion drehte sich dann auch über neue Technologien, mit denen erneut bisherige Maschinen und Berufe obsolet werden könnten. Die grosse Besucherzahl sowie die regen Diskussionen zeigen, dass das Interesse an alten und neuen Drucktechnologien sehr gross ist und darüber hinaus ein Bedürfnis nach Vernetzung und Erfahrungsaustausch besteht. Mit der Veranstaltung konnte ein Beitrag zu diesen Bedürfnissen geleistet werden.


Die Enter Technikwelt, die sich als Schnittstelle zwischen historischen, aktuellen und künftigen Technologien sieht, überreichte schlussendlich den vier Volontären der Gutenberg-Technikgruppe als Zeichen des Danks ein symbolisches Geschenk: Eine 3D-gedruckte «G»-Letter mit eingraviertem Namen – dazu wurde noch die halbernste Frage mit auf den Weg gegeben, ob denn die für den 3D-Druck verwendeten Kunststoff-Filamente nicht das neue Blei des 21. Jahrhunderts seien?

 


Schliessen
S
M
L
XL
XXL