Bild von Enigma Day - 22. Februar 2025

14. March 2025

Enigma Day - 22. Februar 2025

Ein Tag im Bann der Chiffriermaschinen

Am Samstag, 22. Februar 2025, fand in der Enter Technikwelt in Derendingen der Enigma Day statt. Das Thema stiess auf grosses Interesse und zog rund 150 Besucherinnen und Besucher an. Woher rührt die Faszination für historische Chiffriermaschinen? Vier Experten lieferten in Vorträgen und Live-Vorführungen Antworten auf diese Frage.  

 

Eine vermeintlich unknackbare Maschine

Den Auftakt in den Tag machte Erich Blösch. Der Grenchner Unternehmer ist ein profunder Enigma-Kenner und hob die gemischten Gefühle hervor, welche die Enigma bis heute hervorruft: Einerseits symbolisiert sie Hitlers Kriegsmaschinerie, andererseits steht das Knacken des Enigma-Codes für Frieden und die Beendigung des Zweiten Weltkriegs. Im Dritten Reich galt die Enigma als unknackbar, entsprechend gross waren die Bemühungen der Mathematiker Marian Rejewski (1905-1980) und Alan Turing (1912-1954) sie zu entschlüsseln. Ihnen gelang es, Schwachstellen ausfindig zu machen. Dazu gehörten unter anderem die Umkehrwalze (damit konnte die Enigma sowohl ver- als auch entschlüsseln) sowie stets an der gleichen Stelle in Funksprüchen platzierte Ausdrücke wie «Heil Hitler». Den Bemühungen von Rejewski, Turing und weiteren Akteuren der vom britischen Militär geführten Operation «Ultra» ist es zu verdanken, dass die unknackbar geglaubte Enigma entschlüsselt werden konnte. Damit wurde der Zweite Weltkrieg mutmasslich um zwei Jahre verkürzt und ein Abwurf deutscher Atombomben auf Deutschland verhindert.

 

Mythos Bletchley Park

Obwohl Grossbritannien und die USA einen riesigen Aufwand zur Entschlüsselung der Enigma betrieben, drang davon nur wenig an die Öffentlichkeit. Dominik Landwehr, Journalist und Historiker, ging in seinem Referat auf die geheimen Decodierungsarbeiten im britischen Bletchley Park ein. Dort konnte man ab 1943 deutsche Funksprüche entschlüsseln. Dies musste aber geheim bleiben, denn die deutsche Seite durfte keinen Verdacht schöpfen, dass ihre Enigma-Maschinen unsicher geworden sind. Trotz der Geheimhaltung setzten in Deutschland Befürchtungen über die Sicherheit der Enigma ein und man versuchte, sie flächendeckend mit dem Schlüsselgerät 41 (SG‑41), der sogenannten «Hitlermühle», zu ersetzen. Aufgrund kriegsbedingter Engpässe kam es aber nicht mehr zu einem weitläufigen Einsatz der SG‑41.

 

 

Die Aura des Originals

Obwohl die kryptographische Sicherheit der «Hitlermühle» grösser als diejenige der Enigma war, erreichte sie unter Sammlern nie den gleichen Stellenwert. Original erhaltene Enigma-Maschinen üben bis heute eine ganz besondere Faszination aus. Felix Kunz, Präsident der Stiftung Enter und Museumsinitiator, liess entsprechend die Herzen des Publikums höher schlagen, als er im Rahmen einer Live-Demonstration eine echte Enigma vorführte und die Interessierten auf die Tasten drücken liess. Notabene schlug auch das Herz des Museumpersonals höher, da die Werte der Enigma-Geräte im sechsstelligen Bereich liegen. Das museale Experiment funktionierte allerdings einwandfrei und das Publikum schätze es enorm, die Aura des besonderen Geräts hautnah miterleben zu dürfen. Interessant war auch die Demonstration der verschiedenen Enigma-Nachbauten, anhand deren die elektromechanische Verschlüsslung nachvollzogen werden konnte. 

 

Ein Gentlemans Agreement mit Folgen

Wie wichtig technisches Verständnis bei Chiffriermaschinen ist, zeigte das Referat von Marc Simons und Paul Reuvers vom niederländischen Crypto Museum. Zusammen mit dem ZDF, SRF und der Washington Post deckte das Crypto Museum nach mehrjähriger Recherche die geheime Operation «Rubikon» auf: 1970 kauften der deutsche Nachrichtendienst BND und die amerikanische CIA heimlich die Schweizer Firma Crytpo AG, damals einer der grössten Hersteller von Chiffriergeräten. Die Geräte von Firmengründer Boris Hagelin (1892-1983) galten seit den 1950er Jahren als äusserst sicher – so sicher, dass der Leiter der Kryptografie-Abteilung des amerikanischen Geheimdienstes NSA, William Friedman (1891-1969), Hagelin bat, derart sichere Geräte nicht an alle Länder zu verkaufen. Daraus entstand ein Gentlemans Agreement, das schliesslich in der Operation «Rubikon» mündete. Dank eingebauter Hintertüren wurden kryptographisch schwächere Geräte an über 150 Staaten ausgeliefert (vorwiegend Nicht-NATO-Länder), welche in der Folge vom BND und der CIA ausspioniert werden konnten.

 

Technikgeschichte erleben und weitergeben

Die vielen Fragen, die im Anschluss an die Referate gestellt wurden, zeigen, dass das Interesse an Chiffriermaschinen und damit verbundenen Spionagegeschichten auch heutzutage noch sehr gross ist. Seien es die komplexen mathematischen Verschlüsselungsverfahren, streng geheimen Operationen wie «Ultra» oder «Rubikon» oder der unerwartet leichte Tastenanschlag einer originalen Enigma – sie alle tragen zum Mythos von Chiffriergeräten bei. Mit dem Enigma Day in der Enter Technikwelt ist es gelungen, das Publikum in die geheimnisvolle Welt der Chiffriermaschinen eintauchen zu lassen und dabei wichtiges technikhistorisches Wissen weiterzugeben.

 

 

 

Die kompletten Vorträge als YouTube Video:

«Operation Rubicon: The Intelligence Coup of the Century»  (Vortrag auf Deutsch, Folien in Englisch)

Paul Reuvers & Marc Simons (Crypto Museum, Niederlande)

 

«Operation ULTRA: Ein Mastermind gegen Hitlers Waffen»

Erich Blösch (Experte Chiffriergeräte)

 

«100 Jahre Enigma: Die Enigma als Urmodell für Rotormaschinen 1920-1970»

Dominik Landwehr (Technikjournalist)

 

«Die Enigma im Museum: Über das Ausstellen von Chiffriermaschinen»

Felix Kunz (Unternehmer, Sammler, Enter Technikwelt)

 


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