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21. March 2025

HP-65: Der erste programmierbare Taschenrechner der Welt

1974 brachte Hewlett-Packard mit dem HP-65 einen Taschenrechner auf den Markt, der seiner Zeit weit voraus war. Als erstes tragbares Gerät mit Programmierfunktion setzte er neue Massstäbe in Technik, Wissenschaft – und sogar in der Raumfahrt.

Als Hewlett-Packard im Jahr 1974 den HP-65 auf den Markt brachte, war die digitale Welt noch eine völlig andere. Computer waren riesig, teuer und nur für wenige zugänglich. In diesem Umfeld stellte der HP-65 eine bahnbrechende Innovation dar: ein programmierbarer Taschenrechner, der Funktionen über festgelegte Tasten hinaus bot – tragbar, leistungsstark und seiner Zeit weit voraus.

 

Eine neue Ära der Rechentechnik

Mit dem HP-65 begann 1974 ein neues Kapitel in der Geschichte der Rechentechnologie. Als weltweit erster programmierbarer Taschenrechner stellte er eine bahnbrechende Innovation dar – ein tragbares Gerät, das weit über die Grundfunktionen herkömmlicher Rechner hinausging. Zum ersten Mal war es möglich, wiederverwendbare Rechenprogramme direkt auf einem handlichen Gerät auszuführen – ganz ohne Verbindung zu einem Grossrechner. Das eröffnete völlig neue Perspektiven für Fachleute in Bereichen wie Ingenieurwesen, Physik, Astronomie oder Navigation.

Die Programmierfunktion des HP-65 basierte auf einer eigenen, tastengesteuerten „Keycode“-Sprache, mit der sich Befehle Schritt für Schritt eingeben und speichern liessen. Bis zu 100 Programmschritte konnten intern abgelegt werden – ein für damalige Verhältnisse beachtlicher Speicherumfang. Zusätzlich verfügte der Rechner über 9 Speicherregister, in denen Zahlenwerte zwischengespeichert und für spätere Berechnungen verwendet werden konnten. Damit liessen sich auch längere oder rekursive Berechnungen strukturieren, ein grosser Vorteil gegenüber nicht-programmierbaren Modellen.

Ein weiterer Fortschritt lag in der Funktionsvielfalt: Der HP-65 war mit einem breiten Spektrum an integrierten mathematischen Funktionen ausgestattet – darunter trigonometrische, exponentielle und logarithmische Operationen, die per Tastendruck abrufbar waren. Besonders im wissenschaftlich-technischen Umfeld, wo komplexe Berechnungen zum Alltag gehörten, bedeutete das eine enorme Erleichterung. Die Arbeit konnte nicht nur schneller, sondern auch fehlerärmer durchgeführt werden.

Vor der Einführung des HP-65 mussten individuelle Berechnungsabläufe entweder auf Papier notiert oder mit spezialisierten Grossrechnern durchgeführt werden – was umständlich, teuer und zeitaufwändig war. Der HP-65 schloss hier eine Lücke: Er kombinierte die Flexibilität eines programmierbaren Systems mit der Mobilität eines Taschenrechners. Dies machte ihn zu einem unverzichtbaren Werkzeug für viele Berufsgruppen, die bis dahin auf umständlichere Methoden angewiesen waren.

Der HP-65 markierte somit nicht nur einen technischen Meilenstein, sondern auch einen kulturellen Wendepunkt: Er brachte das Konzept des „personal computing“ – wenn auch in sehr rudimentärer Form – einem breiteren, professionellen Publikum näher. In vielerlei Hinsicht war er ein Vorläufer dessen, was wenige Jahre später als Heimcomputer-Ära beginnen sollte.

 

 
Technische Raffinesse auf kleinstem Raum

Ein zentrales Merkmal des HP-65, das ihn deutlich von anderen Geräten seiner Zeit abhob, war das integrierte Magnetkartensystem. Dieses ermöglichte es, einmal erstellte Programme dauerhaft zu speichern und bei Bedarf erneut zu laden – eine Funktion, die zu Beginn der 1970er Jahre äusserst fortschrittlich war. Die zugehörigen Magnetkarten waren handlich, dünn und konnten bequem transportiert werden, was den Rechner besonders attraktiv für den Einsatz ausserhalb klassischer Arbeitsplätze machte.

Das Einlesen der Karten erfolgte über einen präzise arbeitenden Schlitz auf der Oberseite des Geräts. Die Daten wurden sequentiell eingelesen, was zwar nicht besonders schnell, aber für die damalige Zeit sehr zuverlässig war. Anwender konnten so eigene Programmbibliotheken aufbauen, sie katalogisieren und systematisch in verschiedenen Arbeitsfeldern einsetzen. Auch für Unternehmen oder Forschungseinrichtungen eröffnete sich damit die Möglichkeit, standardisierte Rechenabläufe effizient an verschiedene Mitarbeitende oder Projektteams weiterzugeben.

Die Magnetkarten selbst bestanden aus einer Kunststofffolie mit magnetisierbarem Beschichtungsmaterial – eine einfache, aber robuste Konstruktion. Sie konnten mehrfach beschrieben und gelöscht werden, was den Arbeitsalltag deutlich flexibler gestaltete. So liessen sich etwa wiederkehrende Berechnungen bei technischen Prüfungen, geodätischen Messungen oder wissenschaftlichen Analysen immer wieder mit wenigen Handgriffen durchführen.

Besonders in mobilen Einsatzbereichen – etwa im Flugzeug, auf Baustellen oder in Laboren ohne permanente Computeranbindung – war diese Funktionalität von unschätzbarem Wert. Der HP-65 wurde dadurch zu einem echten Werkzeug für unterwegs: kompakt, präzise und jederzeit einsatzbereit. Diese Kombination aus Mobilität und Anpassungsfähigkeit war für viele Fachanwender ein entscheidendes Argument, sich für dieses Modell zu entscheiden.

 

 

Vertrauen in der Raumfahrt: Einsatz bei der NASA

Dass der HP-65 nicht nur in akademischen oder technischen Arbeitsumgebungen zum Einsatz kam, sondern auch unter extremsten Bedingungen im Weltraum, zeigt seinen hohen Stellenwert in der damaligen Ingenieurswelt. Die NASA entschied sich, das Gerät im Rahmen des Apollo-Sojus-Testprojekts 1975 als Backup-System für Navigationsberechnungen mitzuführen – ein bemerkenswerter Vertrauensbeweis, der viel über die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Rechners aussagt.

Das Apollo-Sojus-Projekt war die erste internationale bemannte Raumfahrtmission, bei der amerikanische und sowjetische Raumfahrzeuge im Orbit miteinander verbunden wurden. Eine Mission dieser Tragweite erforderte höchste technische Präzision und absolut zuverlässige Ausrüstung. Der HP-65 wurde speziell mit einem Satz an Navigationsprogrammen ausgerüstet, die es den Astronauten ermöglichten, Kurskorrekturen und Bahnmanöver auch ohne Bordcomputer zu berechnen – eine Art manuelle Redundanz in einem hochautomatisierten Umfeld.

Besonders geschätzt wurde die Unabhängigkeit des Geräts von grösseren Systemen. Im Falle eines Ausfalls zentraler Recheneinheiten an Bord konnte der HP-65 als eigenständiges Instrument kritische Berechnungen übernehmen. Dank seiner robusten Bauweise, der bewährten Speichertechnik mit Magnetkarten und der verlässlichen Tasteneingabe erfüllte er die hohen Anforderungen der Raumfahrt – sowohl hinsichtlich Funktionalität als auch Betriebssicherheit unter schwierigen Bedingungen.

Der Einsatz des HP-65 im All war nicht nur ein technischer Höhepunkt für Hewlett-Packard, sondern auch ein Meilenstein in der Geschichte der tragbaren Rechentechnik. Es war das erste Mal, dass ein programmierbarer Taschenrechner als Teil eines bemannten Raumfahrtprogramms eingesetzt wurde. Damit wurde endgültig bewiesen, dass kompakte Rechentechnik nicht nur ein praktisches Hilfsmittel im Alltag war, sondern auch unter den anspruchsvollsten Bedingungen der modernen Wissenschaft und Technik bestehen konnte.

 

 

Der Preis der Innovation

Der HP-65 war mit einem Einführungspreis von 795 US-Dollar alles andere als günstig – insbesondere im Vergleich zu anderen Taschenrechnern jener Zeit, die meist deutlich unter der 100-Dollar-Marke lagen. Inflationsbereinigt entspricht dieser Preis heute einem Wert von rund 4'000 Schweizer Franken. Damit war der HP-65 eindeutig ein Premiumprodukt, das sich an eine professionelle Zielgruppe richtete: Ingenieure, Wissenschaftler, Techniker und Fachpersonen, die auf zuverlässige, spezialisierte Rechenleistung angewiesen waren.

Trotz seines hohen Preises fand das Gerät schnell Anklang in genau diesen Fachkreisen. Die Möglichkeit, eigene Programme zu erstellen und jederzeit abrufen zu können, stellte für viele Anwender einen entscheidenden Mehrwert dar. Aufgaben, die zuvor auf Papier vorbereitet oder auf Grossrechnern umständlich geplant werden mussten, konnten nun unterwegs, direkt am Gerät, durchgeführt werden. Die Investition zahlte sich durch Zeitgewinn, geringere Fehleranfälligkeit und eine bisher unbekannte Flexibilität oft rasch aus.

Darüber hinaus war der HP-65 ein Werkzeug, das nicht nur funktional, sondern auch qualitativ überzeugte. Die solide Verarbeitung, die durchdachte Tastaturbelegung und die klare Benutzerführung machten ihn zu einem langlebigen und zuverlässigen Begleiter im Berufsalltag. Dass Hewlett-Packard zudem eine umfangreiche Dokumentation und zahlreiche Programmbeispiele mitlieferte, trug wesentlich dazu bei, dass der Einstieg in die Nutzung des Geräts auch ohne spezielle Vorkenntnisse möglich war. Für viele wurde der HP-65 zu einem persönlichen Arbeitsinstrument, das den Arbeitsstil nachhaltig veränderte – ein Statussymbol für technische Kompetenz.

 

Ein bleibendes Erbe

Aus heutiger Sicht wirkt der HP-65 mit seinem kleinen LED-Display, der begrenzten Rechenleistung und den analogen Magnetkarten fast nostalgisch. Doch seine konzeptionelle Bedeutung für die Entwicklung moderner Technologie kann kaum überschätzt werden. Er war einer der ersten Schritte in Richtung personalisierte, mobile Datenverarbeitung – lange bevor Begriffe wie „Laptop“, „App“ oder „Cloud“ überhaupt existierten.

Viele Grundideen, die der HP-65 erstmals in einem handlichen Gerät umsetzte, sind heute fester Bestandteil der digitalen Welt: Benutzerdefinierte Programme, modulare Erweiterbarkeit, tragbare Daten und unabhängiges Rechnen ohne zentrale Infrastruktur. Diese Prinzipien leben heute in Form von Softwarelösungen, Cloud-Synchronisierung, portablen Endgeräten und eingebetteter Intelligenz in unterschiedlichsten Branchen weiter.

Zudem trug der HP-65 wesentlich zur Popularisierung des Gedankens bei, dass komplexe Rechentechnik nicht nur in Grossrechenzentren, sondern auch in den Händen einzelner Fachleute sinnvoll und effektiv eingesetzt werden kann. Dieses Denken beeinflusste die Entwicklung der Heimcomputer und der späteren PC-Revolution erheblich – auch wenn der HP-65 selbst nie für den breiten Massenmarkt konzipiert war.

Er bleibt ein Symbol für den Mut zur Innovation und den Fortschrittsglauben der 1970er Jahre. Die Verbindung von Ingenieurskunst, funktionalem Design und einem klaren Fokus auf den Nutzen für den Anwender macht den HP-65 zu einem Meilenstein – nicht nur der Rechentechnik, sondern der gesamten digitalen Entwicklungsgeschichte. Wer ihn heute im Museum betrachtet, sieht nicht nur ein technisches Artefakt, sondern einen Vorläufer unserer heutigen digitalen Lebenswelt.


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