Bild von Tour de Sol –  Pionierzeit  der Solarmobile

29. August 2024

Tour de Sol – Pionierzeit der Solarmobile

Diese Arbeit ist im Rahmen eines Seminars («Technikgeschichte erleben») der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW unter der Leitung von Dr. Roswitha Dubach und Dr. Felix Wirth, Leiter Ausstellung und Vermittlung Enter Technikwelt, entstanden.

Das Schlagwort Elektromobilität ist mittlerweile in aller Munde und Solarzellen auf den Dächern nichts Besonderes mehr. Fast vergessen sind jedoch die Zeiten, in denen diese Technologien noch in den Kinderschuhen steckten. Dabei spielte die Schweiz eine bedeutende Rolle in der Förderung dieser Innovationen.

Die Ölkrise im Jahr 1973 führte vor Augen, dass fossile Energieträger nicht unerschöpflich sind. Im Anschluss an die Krise entstanden in der Schweiz einige Unternehmen, die sich mit der Nutzung der Sonnenenergie beschäftigten [1]. Doch schon bald geriet die Energiekrise in Vergessenheit, und ein Jahrzehnt später kämpften die letzten verbliebenen Firmen aus dieser Zeit ums Überleben. Eine dieser Firmen war die Jenni Energietechnik AG, gegründet von Josef Jenni. Um für das Unternehmen und die Nutzung der Sonnenenergie zu werben, entstand die Idee, mit einem solarbetriebenen Leichtbaufahrzeugen durch die Schweiz zu fahren. Inspiriert wurde Jenni dabei von den Australiern Larry Perkins und Hans Tholstrup, die 1982 mit ihrem Solarauto "The Quiet Achiever" Australien durchquert hatten.[2] Aus dieser Idee entwickelte sich schliesslich ein freundschaftliches Solarmobilrennen, und die «Tour de Sol» war geboren. Josef Jenni baute zusammen mit seinem Bruder Erwin Jenni einen Prototyp eines Solarmobils. Dieser sollte die Machbarkeit eines solarbetriebenen Fahrzeugs überprüfen und gleichzeitig als Werbeträger für das Unterfangen dienen.

Das Interesse und Medienecho an der Tour de Sol waren bereits im Vorfeld sehr gross, sodass sich viele Teilnehmer für dieses Abenteuer fanden. Die erste Tour de Sol fand Ende Juni 1985 statt und führte in fünf Etappen und 368 km von Romanshorn nach Genf. Es handelte sich dabei um das weltweit erste Solarmobilrennen. Bei der ersten Ausgabe gab es drei Kategorien: [1]

• Kategorie I: Solarmobile ohne Zusatzantrieb – Diese Solarmobile durften ihre Energie nur von der Sonne beziehen. Die Randbedingungen waren eine PV- Fläche von maximal 6 m2, maximale Leistung des Generators von 480 W und mindestens drei Räder.

• Kategorie II: Solarmobile mit Zusatzantrieb – Diese Solarmobile hatten die gleichen Randbedingungen wie die Kategorie eins einzuhalten, durften jedoch zusätzlich mit Muskelkraft via Tretantriebe angetrieben werden.

• Kategorie III: Bunte Vielfalt – Die Fahrzeuge dieser Kategorie unterlagen keinen Einschränkungen, dass es sich um umweltfreundliche Transportmittel handeln musste, war natürlich selbstverständlich.

Da einige der Solarmobile ohne Zusatzantrieb während des Rennens vom Netz aufgeladen werden mussten, wurde für diese Fahrzeuge eine eigene Kategorie geschaffen, damit sie weiterhin am Rennen teilnehmen konnten. Die Solarmodule, die bei den ersten Fahrzeugen eingesetzt wurden, kosteten damals etwa 1000 Schweizer Franken pro Stück und wurden dementsprechend sorgfältig eingesetzt. Um die Kosten zu reduzieren, griffen einige Teilnehmer der Tour de Sol zu kreativen Lösungen: Sie lenkten mittels Spiegel das Sonnenlicht gezielt auf wenige Solarzellen, um deren Effizienz zu maximieren [3].

 

 

Diese einfallsreichen Methoden zeigten den Erfindergeist und das Engagement der frühen Pioniere der Solarmobilität. Trotz der hohen Kosten und technischen Herausforderungen setzten sie alles daran, ihre Fahrzeuge möglichst effizient und kostengünstig zu gestalten. Die Tour de Sol wurde dadurch nicht nur zu einem Wettkampf der Technik, sondern auch zu einem Schaufenster für innovative Ideen und Lösungen im Bereich der erneuerbaren Energien. Auch darum war während dem Solarrennen das Medieninteresse gross und die Tour de Sol war jeden Tag im Fernsehen präsent. An den Strassenrändern warteten ganze Schulklassen auf die Solarflitzer. Von den 73 am Bodensee gestarteten Solarmobilen erreichen 58 das Ziel in Genf. Gewinner in der Kategorie I «Solarmobile ohne Zusatzantrieb» war das Fahrzeug von alpha-real/Mercedes Benz.

Nach dem Erfolg der ersten Tour de Sol fanden bis 1993 noch acht weitere Ausgaben des Rennens statt. Die Bedingungen und Fahrzeugkategorien wurden dabei immer wieder an den aktuellen Stand der Entwicklung angepasst. Inspiriert durch die Tour de Sol entstanden weltweit ähnliche Rennen, und seit 1987 gibt es die World Solar Challenge in Australien. Die Tour de Sol war ein Pionierprojekt, das die Entwicklung der Solarmobilität massgeblich vorangetrieben hat.

 

Die Entwicklung der Solartechnik ging weiter

Die Solartechnik hat sich seit der ersten Tour de Sol stark verbessert. Im Vergleich zu1974 sind die Module nicht nur effizienter geworden, auch die Preise von Solarmodulen sind auf unter ein Prozent der damaligen Kosten gefallen [4]. Vor dem Start der ersten Tour de Sol wurden die Teilnehmer mit ihren «gebastelten» Fahrzeugen nur beschränkt ernst genommen, zu neu war die Technologie und zu unbekannt deren Potential [1].

Werbetechnisch erwies sich die Tour de Sol als voller Erfolg. Dennoch bleiben Solarfahrzeuge bis heute dem Massenmarkt fern. Woran liegt das?

Für ein Rennen wie die Tour de Sol, das vollständig mit Sonnenenergie betrieben wird, war eine hohe Effizienz unerlässlich. Das bedeutete, dass die Fahrzeuge möglichst leicht und aerodynamisch sein mussten. Heutige Serienfahrzeuge bewegen sich jedoch im Bereich von 1,5 bis 3,5 Tonnen und das gute Aussehen ist wichtiger als eine gute Aerodynamik – eine Kombination, die für effizienten Solarbetrieb nicht geeignet ist. [5]

Trotzdem hat es auch in neuerer Zeit immer wieder Versuche gegeben, Solarzellen mit Elektroautos zu fusionieren. Diese sind aber meist aufgrund finanzieller Schwierigkeiten gescheitert. Um für den Massenmarkt attraktiv zu sein, müssen Solarfahrzeuge mehr bieten als nur Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. [5] Josef Jenni, ein Pionier der Solartechnik, kritisiert, dass heute oft das Geld im Vordergrund steht und nicht der Umweltschutz [6]. Solange wir ein starkes Stromnetz haben, das es uns erlaubt, auch batteriebetriebene 3,5-Tonnen-Luxus-E-Fahrzeuge problemlos zu betreiben, wird es schwierig sein, ein solarbetriebenes Fahrzeug erfolgreich zu vermarkten. [5]

 

 

Entwicklung der Elektromobilität in der Schweiz

Die Schweiz war schon immer ein bedeutender Akteur in der Entwicklung der Elektromobilität seit den frühen 1900er Jahren. Bereits damals bauten renommierte Firmen wie Tribelhorn und Ciem Elektrofahrzeuge. Trotz des dominanten Verbrennungsmotors hielt die Idee des Elektroantriebs in diversen Marktnischen weitgehend stand. [7]

In den 1970er Jahren bekam die Elektromobilität in der Schweiz durch diverse Umweltbewegungen und Innovationen einen starken Aufschwung. Die Tour de Sol erzeugte grosses Medieninteresse und wurde zu einem Symbol für alternative Antriebe und Umweltbewusstsein dieser Zeit. Diese Bewegung wurde auch durch die Schweizer Politik gefördert, wodurch die Tour de Sol immer mehr an Bedeutung gewann. Das Potenzial der Elektromobilität wurde erkannt und dann auch gefördert. [7] Viele Pioniere, die an der Tour de Sol teilnahmen, spielten eine wichtige Rolle in der Weiterentwicklung des Elektromobils. Zwei dieser Pioniere waren Erwin und Josef Jenni, welche mit ihrem Beitrag zur Tour de Sol zeigten, was mit Elektroantrieben alles möglich ist.

Ein Grossversuch mit Elektrofahrzeugen in Mendrisio brachte das Potential von Elektrofahrrädern zum Vorschein. Förderprogramme und finanzielle Anreize für EBikes wurden ersichtlich und führten schlussendlich zu einem erheblichen Marktanteil von Elektrofahrrädern in der Schweizer Wirtschaft. Damit leistete die Schweiz einen wichtigen Beitrag für den Erfolg des E-Bikes in ganz Europa. [7]

Heute ist die Elektromobilität in der Schweiz weit fortgeschritten. Fast die Hälfte der neu verkauften Fahrzeuge fahren mit alternativen Antrieben, und etwa ein Drittel davon fahren rein batterieelektrisch. E-Bikes sind ebenfalls gut verkauft worden und machen etwa ein Drittel der verkauften Fahrräder aus. Die Schweiz gilt als Vorzeigebeispiel für den Einsatz elektrischer Antriebstechniken und folgt damit globalen Bewegungen. [7]

Eine bekannte Schweizer Firma, die aus der Tour de Sol hervorging, ist die Biketec AG (später als Flyer bekannt) aus Huttwil. Diese Firma setzte 1995 mit dem «Flyer Classic» frühe Standards im Bereich Elektrofahrräder. Das Modell war für seine Zuverlässigkeit und Qualität bekannt und trug massgeblich zur Verbreitung von EBikes in Europa bei. [8] Auch die Kyburz Switzerland AG, gegründet 1991, ist für ihre elektrischen Nutzfahrzeuge bekannt und eng mit der Tour de Sol verknüpft. Der dreirädrige Kyburz DXP wird von der schweizerischen Post verwendet und ist somit auch ein Vorzeigemodell in Sachen Elektromobilität. [9]

 

 

Welchen Einfluss hat die Tour de Sol auf die Entwicklung und Akzeptanz von Elektromobilität und Solartechnik in der heutigen Zeit gehabt?

Die Tour de Sol war zweifellos ein Werbeerfolg. Sie hat der breiten Schweizer Bevölkerung gezeigt, welches Potenzial sowohl in der Solartechnik als auch in der Elektromobilität steckt. Aus dieser Gruppe von Technikbegeisterten sind mehrere erfolgreiche Unternehmen entstanden. Auch wenn heute noch keine LeichtbauSolarmobile über die Strassen rollen, sehen wir einen starken Ausbau der erneuerbaren Energietechnik und einen Boom der E-Auto-Branche. E-Bikes erfreuen sich grosser Beliebtheit und auch kleine, effiziente Fahrzeuge wie der Microlino oder das Twike sind ab und zu auf den Strassen zu sehen. Der Einfluss der Tour de Sol wird bis heute in Publikationen anerkannt und gilt als Startschuss für die Verbindung von Photovoltaik und Fahrzeugen [10].

 

Interview mit Erwin Jenni

Erwin Jenni ist der Ingenieur, Erbauer und Fahrer des im Enter ausgestellten Fahrzeuges.

 

Wie kamen Sie dazu die erste Tour de Sol zu organisieren und welches Ziel verfolgten Sie? 
Wir wollten herausfinden, ob es möglich ist, ein Fahrzeug allein mit Sonnenenergie zu betreiben oder sogar ein solches Fahrzeug zu konstruieren. Bei diesem Experiment entstand ein fahrradähnliches Gefährt, das als Prototyp fungiert. Nachdem es uns gelungen war, es zum Laufen zu bringen und festzustellen, dass es funktionierte, entstand die Idee für ein solches Rennen. Das Ziel dahinter war, für Solarenergie zu werben und den Menschen zu zeigen, welche Möglichkeiten sich dadurch ergeben.

 

Wie war der Stand der Technik bei der Planung für die erste Tour de Sol? Mussten Komponenten erfunden werden?
Die einzelnen Komponenten waren vorhanden, jedoch existierte kein Plan, wie diese zu einem Fahrzeug kombiniert werden konnten. Natürlich ist auch vieles am Fahrzeug Marke Eigenbau, wie zum Beispiel das Chassis. Die verwendeten Solarmodule stammen aus den USA und versorgten die Batterien im Fahrzeug mit Energie.


 

Wie hoch waren die angefallenen Kosten für den Prototypen?
Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen, aber es waren wohl über 10‘000 CHF. Etwa die Hälfte der Kosten entstand durch die Solarmodule, die zu dieser Zeit noch recht teuer waren. Die kleinen Module, die auf dem Fahrzeug angebracht sind, kosteten etwa 1‘000 CHF pro Stück. Einige Teilnehmer haben sich Spezialkonstruktionen mit Spiegeln einfallen lassen, um mit möglichst wenigen Solarzellen über die Runden zu kommen.

 

Wie verlief die Suche nach Teilnehmern für die erste Tour de Sol?
Das lief sehr gut. Wir veranstalteten eine Werbeveranstaltung mit unserem Prototyp, der bereits erstaunlich viele Personen anzog. Zudem inserierten wir im Magazin der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie SSES, was uns über die Landesgrenzen hinaus bekannt machte. Die Teilnahme von Mercedes-Benz mit seiner Lehrlingswerkstatt war ein Glücksfall und von grosser Bedeutung für die öffentliche Wahrnehmung.

 

Welche Erfahrungen machte man mit dem ersten Fahrzeug und welche Änderungen hat man aufgrund der Erfahrungen vorgenommen? Die Vielfalt der Fahrzeuge war enorm, da es bis dahin nichts Vergleichbares gab. Für die meisten Teilnehmer war die erste Veranstaltung gleichzeitig der erste Test ihrer Fahrzeuge, was zu einigen Pannen führte. Es stellte sich heraus, dass eine Federung für die Fahrzeuge von grosser Bedeutung war. Sie verbesserte nicht nur die Bodenhaftung, indem das Fahrzeug nicht bei jedem Schlag abhob, sondern trug auch zur Stabilität der Bauteile bei. Platzende Reifen, zu schwache Räder und Bremsen traten häufig auf. Diese Probleme wurden in den folgenden Jahren kontinuierlich behoben. Insgesamt wurden in späteren Touren enorme Fortschritte in der Entwicklung erzielt.

 

Entstanden aus der Tour de Sol Patente oder neue Technologien?
Nein, Patente sind mir keine bekannt. Aber es hat viel Entwicklung und Inspiration stattgefunden. Es entstanden später auch Firmen wie Flyer, KYBURZ Switzerland AG oder Twike, die mit der Tour de Sol verbandelt sind. Viele Tüftler von damals wurden auch in die Industrie geholt.

 

Welche Art von Publikum zog die Veranstaltung an?
Waren es hauptsächlich Technik-Enthusiasten oder gab es ein breiteres Interesse? Vor allem die erste Tour de Sol zog sehr viele Interessenten an, viel mehr als erwartet. Wir liefen der Tour de Suisse beinahe den Rang ab. Wir hatten nebst den zahlreichen Tour-Teilnehmer sehr viele Zuschauer am Strassenrand. Die Medien im In- und Ausland berichteten über den Anlass und auch in der Politik wurden wir wahrgenommen.

 

War eine erhöhte Euphorie oder Akzeptanz für die neue Technologie in der Bevölkerung aufgrund der Tour de Sol bemerkbar? Unsere Wahrnehmung war sehr positiv. Die Technologie war so neu, dass es kaum Kritiker gab. Vermutlich war gerade wegen dieser Neuheit das Interesse so gross. Natürlich betrachteten einige Leute das Ganze eher als Spielerei. Aber wir konnten eine enorme Aufmerksamkeit erregen und beweisen, dass es funktioniert. Das war unser Erfolg.

 

Rückblickend: Verlief die Entwicklung der Solartechnologie nach der Tour de Sol erfreulich oder zu langsam? Grundsätzlich erfolgreich, die Firma Jenni Energietechnik gibt es immer noch (lacht). Die Tour de Sol hat deutlich gezeigt, was mit Solartechnik in der Schweiz möglich ist. Wir erhofften uns auch einen Trend hin zu elektrischen Kleinfahrzeugen, aber die Autoindustrie zeigte diesbezüglich wenig bis gar kein Interesse. Generell schlief die Entwicklung von Elektrofahrzeugen bis zum aktuellen Boom, den wir neuerlich erleben, ein.

 

Gibt es Momente oder Anekdoten von der ersten Tour, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Für mich war die erste Tour de Sol die schönste. Neben der Aufmerksamkeit von aussen empfand ich es grossartig, wie man sich im Fahrerfeld gegenseitig unterstütze. Es gab sehr wenig Konkurrenzdenken, weil alle dieselbe Ideologie verfolgten.

 

 

Autoren:
Florian Hochstrasser
Benjamin Wicki
Jonas Pechlaner
David Braitsch


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